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Peter Steiner – Der Weg nach Ssong Köl

Lesezeit: ungefähr 2 Minuten.

Kurzgeschichten, 351 S, 67 Farbfotos, Schutzumschlag: Gletschersee an der chinesisch-tadschikischen Grenze

Literaturedition Niederösterreich

ISBN 978-3-901117-92-3

 

Selten findet sich eine so schöne Wortfügung wieSäulen aus reiner Zeit:

Vier einfache, vertraute Wörter, die – so gesetzt – eine Klarheit, Weite, Erhebung schaffen, wie nur Dichtung dies kann. Die Wendung findet sich in der Erzählung „Heimkehr“ und wurde von einem Menschen geschrieben, der Buchdrucker, Skilehrer, Croupier, Werkstudent, auch Bauer und Viehzüchter in den USA war, der – nach 25 Jahren schwerster Arbeit für die Vereinten Nationen auf Erzsuche in Afrika, Südamerika, Asien – endlich heimgekommen ist, sein altes Haus in Baden bei Wien wieder betritt…

Peter Steiner gibt in seinen Texten Einblick in seine immense Welterfahrung und tiefste, genaueste Weltwahrnehmung. Der 1937 in Baden geborene, 1966 zum Doktor der Geologie, Mineralogie, Paläontologie (Erdkunde, Gesteinskunde, Lebenskunde vergangener Erdperioden) graduierte Schriftsteller verfasste bisher 10 Bücher. Das Vorletzte erschien in der Literaturedition Niederösterreich: „Der Weg nach Ssong Köl“ (Pamir). Es zeichnet sich aus durch unerhörte Natur-, Städte- und Menschendarstellung voll exotischer Poesie ebenso wie voll drastischer Realität.

Schon die Titel der „Kurzgeschichten“ sind attraktiv: Z.B. „Die Taube aus der sechsten Straße“, „Ein Pferd ohne Namen“, „Jenseits der Taliban“, „Marlene Dow spielt Piano“, ferner unbekannte Wörter: Malinche, Querétaro, Deer Flies, Buena Suerte usw. Aber nicht nur die Titel, sondern auch die Abläufe dieser „Kurzgeschichten“ sind frappierend: Das, was eigentlich passiert, ist auf der Folie unerhörter globaler Wahrnehmungen der exploratorische Sprachlauf dieses Autors! Dicht, farbig, treffsicher, glühend, herangerissenes Sichten von Hochgebirgshorizonten bis zu Grasbüscheln oder Sandkörnern am Steig; von Speisenfolgen in mongolischen Jurten, samt Kleid und Blick der Gastgeberin; vom Einlassen auf einsamste Hirtenexistenzen bis zum Durchmachen dramatischer Flughafenabläufe: Keine Handlung oder vielmehr keine Handlungskulissen, sondern pralle, scharfe, gleißende, splittrige Wirklichkeiten. Die Prosa Peter Steiners ist unverwechselbar! Schockierend, bizarr, exotisch, von der schwirrenden Großstadt mit ihren stickigen Hinterhöfen, rastlosen, ratlosen Menschenmassen, vergammelt beziehungsvollen Kleinstadthotels bis zu einsamen Wüstenregionen katapultieren die starken Sätze den gebannten Leser. Ist das Reiseliteratur? Weltabenteuer? Der Kontinente überbrückende Atem des Erdkundlers? Ist dieses subtile Beobachten, Bedenken fremdartiger Menschen und ihrer Lebensarten das zwanghafte Lösen der Daseinsrätsel? Ja, das alles ist es. Aber es ist auch die sogartige Anziehung zum Innenleben eines Mannes, eines Schriftsteller-Kalibers, voll vitaler, viriler, existentieller Lyrik. Diese aktuelle Prosa muss man lesen, um zu erfassen, was mit heutigem Bewusstsein (voll Technik, Fotographie, Menschenkenntnis, visionärer Perspektive, wissenschaftlich geschärfter Sprache) die gegenwärtige „Welt“ ist, was heute der Fall ist.

Matthias Mander