Alfred Warnes – Materialisiertes Licht
Lesezeit: ungefähr eine Minute.
Aufrichtig geschätzter Alfred Warnes!
Von Ihren neuen Gedichten in der Edition Thurnhof, 2007, bin ich – nach den stimulierenden Vorstudien Ihrer früheren Bände – überaus beeindruckt. Mehr noch: Solche schärfste metaphorische Konkretion der hochabstrakten allgemeingültigen Substanz ist mir noch nicht untergekommen. Dieses erkenntnisgewinnende Zueinanderbringen, Ineinanderzwingen disparater Fakten, Szenerien und Reflexe zu allerkürzesten Signal- und Intelligenzgebilden erinnerte mich frappant an die materiebildenden Lichtblitze in modernen Teilchenbeschleunigern der subatomaren Technik.
Auch dort wird den Betrachtern –Experimentatoren allesamt! – höchste Konzentration abverlangt, den Moment der Photonenumwandlung zu erfassen, zu durchschauen – mit allen seinen ewigkeitsstiftenden Implikationen. Fasse das, wer kann.
Nur ein poeta doctus, der noch dazu zeitlebens auf das Genaueste die Literaturenergie studiert und produktiv, konkret lenkt, nur ein Höchstgeprüfter also gelangt an derart verdichtete Wahrnehmung und deren Aussage – bis hin zu einem diese fassenden bibliophil gestalteten Buch.
Dementsprechend ist der Sog, die Gravitation auf alles weithin Umgebende.
Beispielsweise folgende Formulierungen aus den etwa 30 Gedichten („etwa“ deshalb, weil diese Texte auch in jeweils mehrere isolierte Geistesblitze, Blickschnitte geteilt werden könnten) bestärken, erbauen, konditionieren jeden aufgeschreckten, ja erschütterten Leser-Forscher und jeden von Ihrer inkarnierenden Imagination mitten im krass trockenen, schmerzhaft spröden Kontext gepackten Mitdenker:
„Täglich lag er achtzehn Stunden im Bett, die restlichen sechs saß er auf der Bettkante“
„Zutraulich und handzahm als Anzeichen einer Tollwut-Infektion“
„Mit den Armen herumfuchteln als Begleitbewegung zum schmalen Repertoire“
„Die geplanten opera magna liegen nicht einmal in der Schublade“
„Das Entfallen des Wortes beim Anblick der Dinge“
„zwischen warmer Seele und heiliger Krankheit“
„die Verhaltensauffälligkeit der noch Lebenden“
Es war mir stets klar, dass hinter der so menschenfreundlichen, objektiven, wohltätigen Erscheinung, die jahrelang wissensreich und kommunikativ durch Literaturabende führt, eine brennende Persönlichkeit steht, die im Allerwichtigsten aufs Ganze zielt: Der neue Gedichtband trifft mitten ins subtilste, fernste Ziel, kaum noch sprachlich ausnehmbar, voll getroffen aber aufgleissend vor der universalen Schwärze.