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Lore Hübel – Episoden aus dem 2. Weltkrieg

Lesezeit: cirka 2 Minuten.

Nacherzählungen 59 Seiten

 

Rampenlicht Verlag Wien

ISBN 978-3-901-441-15-8

 

 

 

Meine Büchersammlung für Zeitgeschichte – nur voluminöse Dokumentationsbände – wird jetzt um ein schmales Bändchen ergänzt. Aber dieses klärt mich weder über internationale Kampfbündnisse und Kriegsanlässe noch über Opferstatistiken und Kriegsschäden auf, sondern zeigt Spuren, die jene nun 67 bis 73 Jahre zurückliegende Menschheitskatastrophe des Zweiten Weltkriegs in der Erinnerung einer heute 81-jährigen „älteren Schwester“ eines damals 16-jährig an die Fronten Getriebenen hinterlassen haben. Und dieses kleine Buch persönlicher Überlieferung wiegt die umfassenden Studienausgaben – was eigene Anteilnahme betrifft – auf.

 

Die Klosterneuburger Autorin Lore Hübel legt 13 „Episoden aus dem 2. Weltkrieg“ vor, die ihr Bruder erleben musste, als er von seinem 16. bis zum 18. Lebensjahr in die Hauptkampflinien gejagt worden war. Seine beiden Porträtfotos auf Seite 7 und Seite 51 zeigen im Gesicht des überaus liebeswürdigen Jünglings, was er in den zwei Jahren 1943 bis 1945 durchgemacht hat: Zuerst kindlich gehorsam ernst, dann gereift wissend ergeben…

Die sorgfältig festgeschriebenen Szenen betreffen zum Beispiel

. strafweises Purzelbaumschlagen neben der Marschkolonne ohne zurückbleiben zu dürfen…

. Ertragen der Einschläge von Stalinorgeln im „aufgebrochenen Land“…

. den Stirntreffer des bis dahin pausenlos schießenden kaum älteren MG-Schützen und die sofortige Übernahme der Waffe aus den Händen des Sterbenden zum Weiterfeuern…

. das Bergen eines mit Lungenschuss Verwundeten im Kugelhagel… und der sofortige neuerliche Sturmbefehl nach dessen Ablieferung in der Sanität…

. die Gefechtsnacht, die von 120 Soldaten nur 30 überleben ließ…

. die nicht getroffene Entscheidung vor dem russischen Panzerangriff überzulaufen vor den Gewehren der eigenen Kameraden…

 

Frau Lore Hübel hat über die Schluchten des Zeitlaufs hinweg nach 70 Jahren einem einzigen Wehrmachts- bzw. Waffen-SS oder Volkssturm-Angehörigen von den insgesamt 1,2 Millionen in die sogenannte Deutsche Wehrmacht eingezogenen

Österreichern mit ihrer Denkschrift Gesicht und Stimme gegeben. Viele ahnungslose heute Junge sollen durch diese Zeugnisse nachdenklich werden angesichts der immer noch aktuellen realen Unverfügbarkeit humaner Ordnungen.

Die Opferzahlen Österreichs: 260.000 gefallene Soldaten. 215.000 getötete Zivilisten, davon 65.500 ermordete Juden. Die Euthanasieaktion vernichtete 20.000 Österreicher, die meisten in Hartheim, OÖ. 35.000 Widerstandskämpfer gegen das Naziregime wurden getötet.

Matthias Mander