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Johannes Twaroch – zum Geburtstag

Lesezeit: ungefähr 2 Minuten.

Zum hohen Geburtstag des scheuen Kollegen

 

Sind Sie sicher, dass sie Freunde haben?“ (S. 77)

 

Hochachtendes Nachdenken über das aphoristische Selbstporträt des siebzigjährigen Johannes Twaroch, zitiert aus seinem Buch „Albtraumgeschichten“ November 2010, Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra

 

Obige Titelfrage schließt zwar eine bejahende Antwort aus, lässt freilich die Ursache hierfür offen. Und deren Untersuchung mündet in die ähnliche Frage: „Ist die Welt fremd oder der Reisende?“ (S. 64) Diesen rhetorischen Fragen geht eine langsam angewachsene, ausgehärtete Erfahrung voraus: „Ich halte mich an Authentisches und werde unglaubwürdig.“ (S. 45) Gefolgt von der Angst: „Wenn man weiß, wer ich bin, werde ich entführt.“ (S. 101) Wie naheliegend daher der verzweifelte Vorsatz: „Mich benehmen wie immer, als wäre alles in Ordnung.“(S. 43), was ja nichts weniger bedeutet, als dass eben die allgemein unterstellte Ordnung gar nicht herrscht. Der schlicht erscheinende Wunsch: „Am liebsten will ich so sein wie die Leute draußen.“ (S. 102), ist somit Geständnis steten Ringens mit bedrohlichen Anfechtungen. Es erklingt aus einem als abseitig empfundenen „wohnlichen Niemandsland“, voll schaurig „bodenloser Freude“. (S. 93) Weil es doch unabweisbar zu spüren ist, „In meinem Malkasten ist die ganze Welt versteckt.“ (S. 96), verbunden mit quälender Sorge, dass diese ganze Welt verborgen, also wirkungslos, sinnlos bleiben könnte, obwohl doch die Authentizität ihrer Wahrnehmung nach Bekenntnis und Anerkenntnis schreit. Jawohl: „Der Wahnsinnige lässt sich nicht beirren“ (S. 91) ist das in bittere Selbstironie perspektivisch verkehrte Verharren im Anspruch, durchaus Wichtiges (her)vorbringen zu müssen: Nämlich nützliche „Möbel für ein Ungemach“ (S. 82)… Denn „Die Putzfrau wird zu Staub; der Gärtner beißt ins Gras; der Atheist muss daran glauben. (S. 89). Die verräterische Formulierung „Die U-Bahn hat Verspätung gehabt, weil sich ein Selbstmörder nicht beherrschen konnte“ (S. 125) belegt das beklemmende Bewusstsein, dass gehorsames Überleben nur der Beherrschung zu danken ist, also dem Niederzwingen und Niederhalten unerträglich folgenlos bleibenden Wissens: „Russisches Roulette spielen und sofort gewinnen.“ (S. 87), wäre solchem wankenden Wissensstand angemessen.

Aber es bleibt und lenkt doch die unbegründbare finale Zustimmung: „Eine Handlung unterlassen, damit die nächste besser gerät.“ (S.127) Fast gleichrangig den Werken sind die ihnen vorausgesetzten Unterlassungen. Und diese nächste Handlung wäre also? Die wahren Worte zu finden für das täglich Zuströmende: „Es bleiben so wenige Tage, um die Überfülle der Schöpfung zu benennen. (S. 69)

Ja, tausend Mal Ja! Danke, lieber jubilierender Poet, „Benennen“ ist Dein einhaltlos sprechender, ansprechender, uns ansprechender Fleiß aus allerfeinstem Gehorsam.

Du selbst bist ein Teil jener Überfülle, die sich verschenkt.

Matthias Mander