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Herta F. Staub – Porträt

Lesezeit: ungefähr 2 Minuten.

 

PODIUM PORTRÄT 40

PODIUM, Wien, Jänner 2009

ISBN 978-3-902054-66-1

 

„… ihre Art und Weise, auf der Welt zu sein…“

Die wunderbare, von Hannes Vyoral herausgegebene, unverwechselbare und unverzichtbare Reihe der Podium Porträts ist im Jänner 2009 mit dem Buch 40 bei der Dichterin Herta F. Staub angelangt, kenntnisreich und originell eingeleitet von dem vielseitigen Literaturwissenschafter und Lyriker Christian Teissl. Gerahmt in präzises Wissen über den Lebensweg der 1996 88-jährig verstorbenen Wienerin, die nach dem Studium von Germanistik und Philosophie 1932 -38 Kulturredakteurin der Wiener Zeitung war, in der NS-Zeit – mit Schreibverbot belegt – Kontakt zum Widerstand unterhielt sowie 1945 – 49 im Wiener Kulturamt arbeitete, wird das Eigentliche, das Exemplarische ihrer dichterischen Existenz erkennbar, erfahrbar: „… ihre Art und Weise, auf der Welt zu sein…“. Dieser Satz entstammt der Einführung Christian Teissls, die in der Form eines imaginären Gesprächs mit Dichterin gestaltet ist (mit angefügter Quellenangabe für die Worte Herta F. Staubs).

 

Die noch ganz kleine Herta watete im seichten Fluss und „sah Schlangen im Wasser, wie sie vor ihr die Flucht ergriffen…“ 67 Jahre später in ihrem letzten Gedichtband „Die Welt als Versuch“, 1978, prägt dieses frühkindliche Erlebnis das Gedicht „Weite Heimat“: „Da wurden mir Heimat und Tod wunderbar bitter zu EINS.“

Die 36 Gedichte, bis auf eines ihren drei Bänden entnommen, die 1933, 1958, 1978 erschienen sind, sind das sprachliche Denkmal, der lyrisch gehärtete Beweis für „die Art und Weise“, zwischen 1908 und 1996 – also im schlimmsten aller bisherigen Jahrhunderte – „auf der Welt gewesen zu sein“, erarbeitet, erlitten von der Lyrikerin, Kulturredakteurin, Initiatorin, Aktivistin und Schweigerin Herta F. Staub. „… ein blutendes Pferd, das um den Stephansdom galoppiert…“ (S. 11). „… Der Ungeist, der zu diesen Ruinen geführt hatte, blieb vielerorts bestehen.“ (S.11). „Man glaubt zu wohnen, glaubt sesshaft und sicher zu sein… muss im nächsten Moment zusehen, wie man seine Haut retten kann.“ (S.10) „Wir sind in eine tolle Zeit hineingeboren, und halten wir auch noch so steif die Ohren, sind wir Gelenkte ihres Peitschenwinks.“ (S.20) „Endlich das Glück, zwischen Decken und Matratzen… nicht mehr wach sein zu müssen. Nur eins ist furchtbar: …Gesunder Schlaf verlängert das Leben.“ (S. 40) Durch solche Sätze wird klar, was Herta F. Staub über das Dichten sagte: „Gedichte müssen sich ereignen…“ Und wir sollen diese Ereignisse mit Ehrfurcht betrachten!

Dass die Schlangen vor der dreijährigen Herta durch das seichte Wasser vor ihr geflohen sind, wird angesichts dieses straffen, ernsten Lebenswerks einer helläugigen tapferen Frau zur tröstlichen Metapher.

 

Matthias Mander