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Dine Petrik – Herta Kräftner

Lesezeit: ungefähr 3 Minuten.

Clemens K. Stepina (Hg.)

„Alles ist in mir“ Notate zu Hertha Kräftner Edition Art&Science, 146 S.

ISBN 978-3-902157-21-8

Beiträge von Stepina, Böning, Grossi, Hainz, Hofeneder, Niederle, Petrik, Polt-Heinzl

 

Sehr geehrte Frau Dine Petrik!

Vor Jahren, als Sie noch nicht aus dem P.E.N. ausgetreten waren, sind wir einander kurz begegnet. Und dann wieder im Jänner 2008 beim ÖSV: Sie gaben mir Ihr schönes „Podium Porträt“ vom Sept.2007 (in Literatur aus Österreich 2007/2 von Wolfgang Ratz hervorragend besprochen) und die von Clemens K. Stepina herausgegebene Hertha-Kräftner-Vortragssammlung. Ihrer raschen Erklärung entnahm ich Ihren Ärger wegen der Mißachtung und Verdrehung des Buches, das Sie über diese  Lyrikerin  im Otto Müller Verlag 1997 herausgebracht hatten: „Die Hügel nach der Flut. Was geschah wirklich mit Hertha K.“ Ferner, dass Sie sich entschlossen hätten, sich zu wehren und was ich als ÖSV-Kollege zu sagen hätte? Das versprach ich. Obwohl mir meine eigene Unzuständigkeit bei der Lektüre Ihres 22-seitigen Beitrags „’Ich war nicht immer so’ Annäherung an Hertha Kräftner (1928-1951)“ deutlich wurde, halte ich mein Versprechen aus dem Grund ein, dass eine solche Publikation ja nicht nur für Germanisten, sondern auch für erstmals angesprochene Leser verfasst wird. Als solcher habe ich hiermit meinen tiefen Eindruck zu bescheinigen: Es ist nicht nur ab nun unvergessliches Wissen über Schicksal und Kunst der Ausnahmedichterin Hertha Kräftner, das ich gewonnen habe, sondern auch den durch Ihre eigene Berichtstechnik, Ihren Vermittlungsstil bewirkten Einblick in die spannungsvolle Auseinandersetzung, die Ihre Befassung mit dieser Tragödie ausgelöst hat. Seine bannende, ja erschütternde Lektüre hat mir eine bisher im Einzelnen unbekannte, eigentlich unsägliche literarische Existenz vermittelt und zugleich die genau dieser Unsäglichkeit gemäße Rezeptionsgeschichte. Sie konnten mich durch Ihren verdichteten, scharf geschnittenen Text von der Berechtigung Ihres eigenen Zugangs überzeugen, wenn Sie schreiben, „im Versuch, Kräftners Geschichte deutlich(er) zu machen, kam ich um die Fiktion nicht herum.“ Das versteht der analytische Romancier gut. Das Entsetzlichste von 1945 – der mit Bajonett und Schusswaffe ins Kräftnerhaus Mattersburgs eindringende Rotarmist, die Vergewaltigung der 17-jährigen Hertha,  die erschossene Hebamme in der Blutlache, der verletzte, blutüberströmte Vater, der das Ärgste verhindern wollte, bald darauf einsam verstarb, die verzweifelte Mutter, der fünfjährige Bruder… diese Traumatisierung eines ohnehin hochsensiblen Ausnahmskindes – schildern sie packend. Und die davon gezeichneten Ereignisse der nächsten, der letzten 6 Lebensjahre Hertha Kräftners verschränken Sie meisterhaft mit den Aussagen ihrer Gedichte, Tagebücher, Briefe sowie mit den Zeugnissen Hermann Hakels, Viktor Frankls, Erwin Ringels, Hans Weigels u.a.. Ihre totale Einlassung, Frau Petrik,  auf dieses Schicksal bringt Ihnen den Vorwurf ein, Ihr Buch „sei ein Roman…“ Sollten Sie „Falsches“ erschlossen haben, möchte ich so irren können wie Sie! Ich vermute, Ihr Buch „Die Hügel nach der Flut…“ aus 1997 und Ihr Essay „Ich war nicht immer so“ aus 2007, gemeinsam mit dem kompetenten Vorwort von Christa Nebenführ im Podium Porträt 32, sind nicht nur eine legitime, sondern eine dem Wahrzunehmenden adäquate Antwort auf Leben und Lyrik Hertha Kräftners. Ja, mehr noch: Diese Ihre Veröffentlichungen und Ihre fortwährende, fortschreitende  Befasstheit einerseits sowie die gesamte sonstige Rezeption in Wissenschaft und Medien andererseits mögen als Hinweis auf die Größe der Tragödie und deren literarisch künstlerische Ausprägung durch jene Dichterin verstanden sein, die – wie ich eingangs unter dem Eindruck Ihres Essays schon sagte – im engsten Wortsinn unsäglich sind. Dass aber das Unsägliche in jenem Metier, das samt und sonders aus Wörtern besteht, Verwerfungen und Quetschungen  erzeugt, sollten wir verstehen und letztlich zumindest innerlich demütig hinnehmen.  Bleibt zu wünschen,  verehrte Frau Kollegin, dass das augenscheinliche Enttäuschtsein von Ihnen weicht und Sie nach so viel Wahrheitsschürfung diese auch genießen