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Liebe Marianne!

Lesezeit: ungefähr 3 Minuten.

Donnerstag, 24. Mai 2012 …

Der 24. Mai 2012 war ein heller, sonniger Tag und ich hatte bei Dir, liebe Marianne,  einen Soforttermin bekommen. Einige Jahre Romanarbeit an der „Holschuld“ lagen eben hinter mir, der Czerninverlag war mit dem thematisch vertrauten Freund Christian Teissl als Lektor einverstanden, doch ich wünschte mir vor Drucklegung eine zweite strenge, quasi „ideologische“ Prüfung. Hierfür kannte ich keine Persönlichkeit. Aber ich vertraute Dir nicht nur als großer weiser Frau, sondern auch als allumfassender Kennerin der hiesigen literarischen Welt: Dich wollte ich um Rat bitten. – Wahrlich diese Stunde in Deinem legendären Arbeitsraum an der Herrengasse im Herzen Wiens – und in meinem – zeigte mir neuerlich den Stil Deines durch und durch menschenfreundlichen, zugleich praktisch zupackenden Wesens. Du schenktest mir Tee, Zeit, volle Zuwendung, wir tauschten uns genau über unsere je aktuelle Lebenslage aus, Du, wie immer, bewundernswert, kenntnis- und hilfreich, mein Anliegen blitzartig erfassend und zu Deinem eigenen machend: Ja, diese Letztprüfung müsse eine gestandene Kraft ausüben, die nicht aus meinem engsten Freundeskreis komme. Du griffst zum Telefon und fragtest klug formulierend Christa Nebenführ vom PODIUM. Nach kurzer Klärung war dieses mir so wichtige Vorhaben eingeleitet. Christa erwies sich dann als genau jene Persönlichkeit, die ich mir vorgestellt hatte: Urteilsstark, tatkräftig, zugleich genau, streng und kollegial. Sie durch Dich kennengelernt zu haben, war wieder eine der vielen Dich kennzeichnenden Wohltaten für mich.

Am 15. Jänner 2013 durfte ich dann die „Holschuld“ in der Literaturgesellschaft vor beiden vollen Sälen präsentieren. Frau Christa Nebenführ hielt die gute Einführung. Vor Veranstaltungsbeginn führtest Du mit mir allein ein langes Gespräch über dieses Buch. Hierbei erkannte ich durch Deine tiefgehenden Bemerkungen, dass Du es aufmerksam gelesen hattest. Welch eine Ehre für mich!

Dass ich jetzt zu Deinem schönen Geburtstag gratulieren darf, freut mich: Schön kann Dein Geburtstag nämlich deshalb sein, weil Du privat und öffentlich, künstlerisch und organisatorisch Deine Lebensjahre mit denkbar höchsten Leistungen und wertvollen Inhalten erfüllt hast. Ich maße mir nicht an, Deine seelischen, gedanklichen und praktischen Anstrengungen abzuschätzen, doch deren offenkundiges Ergebnis – Deine Persönlichkeit und der Status Deines riesigen Wirkungskreises – lassen mich mein immenses Beschenktsein durch Deine Freundschaft erkennen.

In ihren mir gewidmeten Einführungsworten vom 15.1.2013 lieferte Christa Nebenführ ein Stichwort, das mich bewog, es dort spontan mit einem der klügsten Sätze aus Deinem letzten Roman „Erinnerungen eines Narren“, Haymon 2012, – auch als Reverenz an Dich als Autorin und Hausherrin – zu beantworten„… – mit oder ohne Glauben scheint es, als wäre man nichts ohne die Wörter, die vor einem da gewesen sein müssen.“ (S. 85) Leiser, das heißt hier edler, größer, kann das Bedeutendste nicht ausgesagt werden, als Du es hier sagst. Wie wenig Andere verkörperst Du die Deutungskraft der Wörterwelt als Lebenskraft. Das erinnert mich an die Antwort Max Adlers an Lenin auf dessen Bemerkung, dass die Welt doch schon vor dem Menschen existiert habe: „Aber nicht vor dem Bewusstsein!“

Solches Wissen zu tragen, zu verwalten, zu gestalten wie Du, zugleich ein ganzes pflichtenreiches Leben zu bewältigen sowie die Lebensbedürfnisse der Mitmenschen hingebungsvoll zu bedienen, das ist der uns viele Beobachter und Begünstigte beglückende Beitrag Marianne Grubers für jeden Einzelnen, damit aber auch für das Entrollen des Ganzen, sozusagen des wirklich maßgebenden (Welt-) Geschehens.

Danke für das alles! Denn das ist nämlich alles! Sonst ist nichts. Um Heidegger abzuwandeln: Warum gibt es Marianne Gruber, warum  gibt es nicht niemanden und nichts? Weil das Seiende sein muss.

Dein Matthias

p.s. Dankerfüllter Gedanke an Wolfgang Kraus, der Dich einst einlud, Deinen Dienst in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur anzutreten. Inzwischen ist daraus ein umfassender Dienst an der österreichischen Gesellschaft  geworden …