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Heinrich Eggerth – 80 plus

Lesezeit: ungefähr 3 Minuten.

Prosa und Lyrik

 

Edition Roesner artesLiteratur Mödling, 2010, 99 Seiten

ISBN 978-3-902300-49-2

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Ich möchte, dass jedem hierzulande zum Achtziger dieses Büchlein geschenkt wird. Was geschähe, wenn man diesem Wunsch entspräche? Durch den wunderbaren Zuspruch Heinrich Eggerths würde so manche Denksperre, Verblendung, Wehleidigkeit, Eigensucht, Verbitterung, Lachblockade, Aussichtslosigkeit gemildert, sogar behoben werden. Befreiende, ja beglückende Bestätigung bisher erst vorsprachlichen, unausgeführten Wissens, seelische Neugeburt sozusagen – das heißt Leben! – würde den so Beteilten geschenkt. Mir fielen einige Behörden für dieses Buchankaufsbudget ein, das sehr gut angelegt wäre. Wer deren Entscheidung und seinen hohen Geburtstag nicht abwarten will, greife sofort für 17,90 Euro zu.

 

Was der heute 84-jährige hoch gebildete, blitzgescheite, viel geprüfte, weise lächelnde Besitzer einer feinen Feder hier als Zwischenernte einer langen poetischen Existenz unter dem Titel „80 plus“ vorlegt, sind 18 Prosastücke und 27 Gedichte samt einem Anhang „Kleine Autobiographie“ – also insgesamt genau 46 Texte – und diese sind Zeile für Zeile vorbildlich und maßgebend. Vorbildlich für jeden alt Gewordenen, maßgebend für jeden Schreibenden. Heinrich Eggerth ist ein Mozart der Wirklichkeitsauffassung und -wiedergabe: Abgründiges im Zartesten aufgehoben; kaum Wahrnehmbares zu leuchtender Gegebenheit geführt; Vollendetes in geklärter Form. Da spricht nicht nur der große alte Mann von Puchberg, sondern auch der gute Mensch, der seinen souveränen Existenzialismus zu bezeugen versteht. Bitter Ernstes, ja Tragisches, legt er mit einigen tangentialen Meistersätzen völlig frei – und birgt es zugleich in messerscharfer kühler Ergebenheit.

Aus den Prosatexten lässt sich nichts zitieren: Sie wirken mit ihrem Unterton, den ein Zitat nicht zeigen kann, betören mit einem silbrigen Nebenklang, der in wenigen einfachen Worten aufklingt und jeder Beobachtung ihr gültiges Universum verleiht. Er sagt, wie es ist; und das derart groß und licht, wie es sich nur dieser irdisch weitgereiste Abgekämpfte und in allen Seelenzustößen Erfahrene für sich und für uns erarbeitet haben kann. Danke für diesen tiefen Schluck Lebensmut, Leistungsbeweis, Daseinsliebe!

Hier einige den hier veröffentlichten Gedichten entnommene Gedanken Heinrich Eggerths, freie Zitate, die das Obige beweisen: „Einige Blätter schaukeln jetzt schon herunter ins Gras. Nicht ganz ohne Neid schaue ich ihnen zu. – …die eine Wolke, ein kleiner Fleck, unverschämt rosa… jetzt ist sie weg. Schade. Ich weine ihr nach. – Ich starre hungrig in den Untergang der Sonne. – Diese uralten Bäume, von Sturm, Blitz und Jahren verkrümmt, verkrüppelt, sind übersät mit Rosa und Weiß. Und schämen sich gar nicht, zu blühen. – Aufgewühlt werden, bis ins Innerste erschüttert, ohne sich von der Stelle zu rühren. – Eine gelbe Kanne poltert leer auf die steinernen Platten. Für mich wird es Zeit, die Fenster zu schließen. – Von Blödsinn überschwemmt steh ich da mit meiner hilflosen Schaufel und grabe nach Sinn. Wann werd ich unter dem Dreck die Wahrheit entdecken? Wo liegt die Güte begraben? – Wann werden denn ein paar Worte empor glucksen aus dem Sumpf des täglichen Lebens? – Meine Augen starren manchmal zum Himmel, als könnten sie das Blau durchschaun. – Zeit ist gewesen. Bunt wie ein Flohmarkt. Was ich jetzt brauche, ist nicht dabei. Das liegt in Gottes hoffentlich gütiger Hand. – Fichte im Garten. Die winkt ganz leicht mit den Ästen im Winde. Für mich ist das schon Bewegung genug. – Ich sitze da und halte deine Hand. Das reicht fürs Weiterleben. – Mitnehmen möcht ich dein lautloses Nicken. Ob man mit so viel Reichtum durchs Nadelöhr kommt? –

Ich weiß, du wirst manches Mal gern an mich denken. – Das war ein Sturm. Die Wanten jaulten, das Ufer stieg und sank. Doch mein Boot zog im Hafen nur leicht an den Leinen. – Ich bin mit dem zufrieden, was mir der Wind mitbringt. – Manchmal noch hör ich die Peitsche knallen und frage mich, gilt das überhaupt mir? – Schön war das, alt zu sein. Mein Gott, ich wollte das bleiben für immer. – Gott. Du Kinderlied mitten im Lärm der Geschäfte. Du einziger Weg durchs Gestrüpp. Du blauer Streifen am Horizont. – Du lieber Gott, ich bitte dich, sei! Sei wie du willst, sei wo du willst. Um Himmel willen: Sei!“

Das nach solchen Worten gebotene Amen setzt der schreibende Heinrich Eggerth nicht hin. Es bleibe einer zwingenden Antwort anheim gestellt.

 

Matthias Mander